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Fallstudie: Von der Fach- zur Führungskraft — mit Coaching den Übergang meistern

Restrukturierung eines national agierenden Versicherungskonzerns mit Hauptsitz in Norddeutschland: Die strikt regionale Organisationsstruktur wird aufgegeben; das Unternehmen bündelt Ressourcen und Kompetenzen überregional, um eine höhere Effektivität zu erzielen – und zwar bezogen auf die Qualitätssicherung, unternehmerische Zielsetzungen und organisationale Prozesse sowie Reportingstrukturen. Im Zuge dieser Veränderungsmaßnahmen steigt erstmals eine weibliche Fachkraft zur Führungskraft der dritten Eben auf. Ihre neue Aufgabe stellt sie gleich vor eine ganze Reihe von Herausforderungen.

Die Führungskraft muss:

  • Mitarbeiter führen, mit denen die Führungskraft bisher auf einer Ebene stand
  • sich gegenüber neuen Vorgesetzten, dem Management-Board und dem Vorstand von der Fach- zur Führungskraft positionieren
  • die Mitarbeiter der drei Standorte als Team für gemeinsame Zielsetzungen und Qualitätsstandards gewinnen, fördern und fordern und deren Performance steigern
  • sich als bislang einzige weibliche Führungskraft in dieser Position authentisch etablieren und durchsetzen

Der HR-Vorstand entscheidet sich, der neuen Führungskraft mit wohlwollender Empfehlung einen Business Coach an die Seite zu stellen, um den vielfältigen Herausforderungen proaktiv zu begegnen. Auch wenn sie selbst den Sinn und Nutzen eines Einzelcoachings anfangs nicht sieht, lässt sie sich aufgeschlossen und neugierig darauf ein – darauf vertrauend, dass die Empfehlung des HR-Vorstands ihre Berechtigung haben wird.

Startschuss: die neue Rolle klären

Die neue Führungskraft zeichnet sich durch hervorragende Fachkompetenzen und Gewissenhaftigkeit aus. Sie genießt Anerkennung als fachliche Expertin und wird als jemand angesehen, die Sachprobleme schnell, besonnen und gründlich löst. Wie häufig bei hochqualifiziertem Fachpersonal geschieht erfolgreiche Durchsetzung und Führung ausschließlich über die Sach-Argumentation. Es fehlt eine Einschätzung der eigenen Wirkung auf andere und ein Bild davon, wie die neue Führungsrolle jenseits von Fachlichkeit auszugestalten ist. Vertrauensbildung und Ausbau einer soliden Beziehungsebene mit dem neuen Team sind für die Coachee zunächst ein blinder Fleck.

Die Analyse des blinden Flecks im Coaching führt für die Coachee zu einer wesentlichen Einsicht: „Ich muss mehr Transparenz über meine persönlichen Ziele als Vorgesetzte und die Motive meines Verhaltens herstellen; ich muss weg vom Image des perfekten Zahlenmenschen und durch klare Orientierung, Vertrauensbildung und konsequentes Delegationsverhalten das Bild unserer gemeinsamen Ziele und meiner Person für die anderen durchsichtig und zugänglich machen!“

Drei Standorte, ein Team: „Segeln unter einer Flagge“

Eine weitere Herausforderung ist das Team, das die Coachee künftig zu führen hat. Denn dieses „Team“ muss sich überhaupt erst finden – über drei Standorte hinweg, an denen bisher regional präsente Vorgesetzte mit unterschiedlichen Kulturen und Mentalitäten führten. Mit wechselseitigen Besuchen der Standorte können dafür erste Grundlagen geschaffen werden.

Für das weitere Zusammenwachsen und eine gemeinsame Steigerung der Performance erweist sich jedoch eine Frage als überaus hilfreich, die im Coachingprozess entstanden ist: „Unter welcher Flagge segeln wir?“ Die Führungskraft trägt diese Frage in das Team hinein – und das Team schreibt sich dreierlei auf die Fahne:

  • Wir verwenden die höchstmöglichen Qualitätsstandards!
  • Wir sind ein gutes Team, wissen voneinander und verfolgen ein gemeinsames Ziel!
  • Wir sind für unseren Erfolg gemeinsam verantwortlich!

Das klare Bekenntnis zu den drei Grundsätzen bewirkt seither gelebten Teamgeist, gesteigerte Motivation und Alignement.

Vertrauensbildung und konsequentes Fehlermanagement

Ein weiterer Punkt auf der Coaching-Agenda ist das Thema Vertrauensbildung: Durch den Austausch konkreter Erfahrungen und deren Analyse, durch gezielte Fragen und Feedback des Coach — so entsteht bei der Coachee die Einsicht: Wer als Führungskraft erfolgreich sein will, muss das Vertrauen seiner Mitarbeiter gewinnen! Im vorliegenden Fall bildet die Fachkompetenz der Coachee dafür den Ausgangspunkt. Die Coachee kann sie nutzen, um den Mitarbeitern zu signalisieren: „Ich verstehe unser Geschäft und weiß, wo im Tagesgeschäft die Risiken und Herausforderungen liegen.“

Zugleich entwickelt die Coachee jenseits ihrer Fachkompetenzen zunehmend überfachliche Führungsqualitäten: Sie überträgt den Mitarbeitern Verantwortung, delegiert Aufgaben vollständig, gibt Rückendeckung und Feedback; sie betreibt konsequentes, transparentes Fehlermanagement. Indem Sie Vertrauen gibt und Verantwortung überträgt, gewinnt die Coachee das Vertrauen ihrer Mitarbeiter, und zwar unabhängig davon, an welchem Standort sie tätig sind.

Die initiierten Prozesse und Erfahrungen in der neuen Führungsrolle geben schnell die Gewissheit, dass sich Vertrauensbildung und Rückendeckung für die Mitarbeiter nicht durch blindes Vertrauen und das folgenlose Hinnehmen von Fehlern vollzieht. Die Coachee erkennt, wie wesentlich ein verantwortlicher und konsequenter Umgang mit den Fehlern ihrer Mitarbeiter ist. In den Sitzungen werden konkrete Situationen besprochen, für die neue Handlungsansätze und Lösungen erarbeitet werden, deren Grundelemente identisch sind: Es gilt zunächst immer, den Fehler anzusprechen und die Risiken zu benennen, die dadurch für das Unternehmen und ggf. für die Person entstehen. Die Coachee lässt die Mitarbeiter dann selbst Verbesserungsvorschläge und Lösungen erarbeiten und legt gemeinsam mit ihnen den neuen Benchmark für die Zukunft fest. Schließlich werden das Reporting und – für den Fall, dass Schwierigkeiten bei der Umsetzung auftreten – Hilfsangebote definiert.

Individuelle Ausgestaltung der Führungsrolle

Die Positionierung im ausschließlich männlich besetzten Management-Board und gegenüber dem Vorstand ist eine weitere Herausforderung für die neue Führungskraft. Die individuelle Gestaltung der Führungsrolle erweist sich als überaus wichtig für den souveränen Umgang mit den gleichrangigen und den vorgesetzten Führungskräften. Es geht darum, Farbe zu bekennen und klare Signale zu senden, ohne dabei ein (männliches) Rollenmuster zu imitieren.

Das Signal der Coachee an die Männerphalanx sieht so aus: „Ich weiß, welche Machtspiele hier gespielt werden und welche Hahnenkämpfe ihr ausfechtet. Aber seid versichert: Ich kenne die Spiele zwar, werde jedoch längst nicht alle davon mit machen!“

In einem solchen klaren Bekenntnis kommt erneut eine Maxime zum Tragen, die schon für die Gestaltung der Beziehungen zu den Mitarbeitern Geltung hatte: Transparenz und Authentizität über die eigene Person und das eigene Tun herstellen und damit eine echte Souveränität erreichen, die gut in den Ressourcen der Person verankert ist.

Ergebnisse: Rollenwechsel, Teamperformance, Positionierung

Am Ende des mehrmonatigen Coachings ist der Schritt von der Fach- zur Führungskraft vollzogen. Die Coachee führt ihr Team erfolgreich: die Kommunikation mit den Mitarbeitern und Standorten ist professionell, die Beziehungen der Mitarbeiter untereinander sind intakt, die Zahlen stimmen. Das Team segelt nicht einfach nur unter einer Flagge, sondern legt sich mächtig ins Zeug, um die gemeinsame Performance noch zu steigern.

Angesichts der Erfolge mit dem eigenen Team gelingt es der Coachee wesentlich leichter, sich im Management-Board und gegenüber dem Vorstand zu positionieren. Dabei gestaltet die Coachee ihre neue Rolle auch hier zunehmend situativ und individuell aus, das heißt: im jeweiligen Kontext auf die beteiligten Personen und das jeweilige Thema abgestimmt. In diesem erweiterten Handlungs- und Verhaltensrepertoire liegt eine tragende Ressource für wachsendes Selbstbewusstsein und Souveränität als weibliche Führungskraft in einer männlich dominierten Werte-Welt und Führungskultur - und das ist mitentscheidend für die Akzeptanz durch die Kollegen und Vorgesetzten.

Newsletter, 03.2009


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